Saatgutsouveränität - Beyond the Surface. MicroNation EcoEden. Eine wirtschaftlich tragfähige, ethisch nötige Lösung einer Post-Kollaps-Gesellschaft.

Wer die Saat hat, hat die Macht

Im frühen 20. Jahrhundert wurden erste Ansätze des Sortenschutzes entwickelt und in den 1960er Jahren die erste internationale Vereinigung zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) gegründet. Den Züchtern wurden exklusive Rechte eingeräumt, wenn ihre Sorten bestimmte Eigenschaften hatten und besonders wertvoll für die landwirtschaftliche Produktion waren. Die damaligen Regeln sahen noch Ausnahmen für Bauern und Züchter vor, mittlerweile sind die immer mehr eingeschränkt worden. Auch das Patentrecht wird heute auf Pflanzenzüchtungen angewandt und sichert den Züchtern Monopole und alleinige Verwertungsrechte. Mittlerweile dominieren zehn Konzerne mehr als 70 Prozent des globalen Saatgutmarktes.

Wie lässt sich Ernährungssouveränität verwirklichen?

„Bäuerliche Landwirtschaft kann angesichts des Bevölkerungswachstums die Welt nicht ernähren.“ Ist dieses Dogma der Wissenschaft und der Politik richtig? Die zahlreichen Initiativen rund um die Ernährungssouveränität kommen zu einem anderen Ergebnis. Zunächst einmal fragen sie sich: Wer ernährt die Welt denn jetzt? In großen Teilen der Welt ist es nämlich nach wie vor die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die die Welt ernährt. 2,6 Milliarden Menschen leben hauptsächlich von landwirtschaftlichen Tätigkeiten. 85 Prozent der etwa 525 Millionen Bauernhöfe weltweit bewirtschaften weniger als zwei Hektar Land. Die Bäuerinnen und Bauern auf diesen Klein- und Kleinstbetrieben bauen den größten Teil aller weltweit produzierten Lebensmittel an. Dabei bestreiten die Initiativen nicht, dass die Produktivität der Landwirtschaft in vielen Regionen gesteigert werden müsste.

Irmi Salzer ist Kleinbäuerin und arbeitet bei der ÖBV (Österreichsche Berg- und Kleinbäuerinnen Vereinigung). Sie glaubt, dass kleine, auf Vielfalt setzende Betriebe weitaus produktiver arbeiten als große Farmen mit Monokulturen: „Der herkömmliche Produktivitätsbegriff, der nur auf den Ertrag einer einzelnen Kultur oder die Produktionsleistung pro Arbeits- oder Kapitaleinheit abzielt, lässt nämlich wesentliche Faktoren außer Acht. Zieht man Effizienz- und Produktivitätskriterien heran, die alle eingesetzten Produktionsfaktoren berücksichtigen (d. h. neben Arbeitskraft und Kapital auch Energie, Dünger und Wasser) und die zudem den Gesamtertrag des Betriebsanalysieren, dann schneiden kleine Betriebe in der Mehrzahl der Fälle besser ab als große. Dies rührt daher, dass Kleinbäuerinnen und -bauern dazu tendieren, das meiste aus ihrem Land zu machen, dass sie also Zwischen- und Mischkulturen anbauen, ihre Fruchtfolgen optimieren und jeden Winkel ausnützen.“

Damit Kleinbäuerinnen und -bauern die Welt ernähren und ihre vielfältigen gesellschaftlichen Leistungen erbringen können, braucht es nach Meinung der Initiativen rund um die Ernährungssouveränität einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Lebensmittel werden seit Jahrhunderten auf internationalen Märkten gehandelt, dass sie jedoch als Rohstoff wie jeder andere gelten, kennzeichnet die Entwicklung der letzten 15 Jahre. Insbesondere ab dem Inkrafttreten des WTO-Abkommens über die Landwirtschaft 1995 wurden zahlreiche Staaten, die ihre Bevölkerungen zuvor selbst ernähren konnten, gezwungen, ihre Handelsschranken abzubauen. Als US-amerikanische und europäische Produkte mithilfe von Exportförderungen und anderen Subventionen zu Dumpingpreisen auf die geöffneten Märkte strömten, verloren hunderttausende Bäuerinnen und Bauern ihre Existenzgrundlage. Wenn es nach Irmi Salzer geht, ist eine Abkehr vom neoliberalen Dogma des Freihandels die Voraussetzung für das Überleben der bäuerlichen Landwirtschaft weltweit. Für sie und ihre Mitstreiter bedarf es einer grundlegenden Umorientierung der weltweiten Agrar-, Handels- und Entwicklungspolitik, weg von der „heiligen Kuh Weltmarkt“ und hin zur Gewährleistung des Menschenrechts auf Nahrung und zu Ernährungssouveränität.

Ernährungssouveränität ist Saatgutsouveränität

Wie könnte eine zukünftige Ernährungssouveränität, die auch die Selbstbestimmung über das Saatgut mit einschließt, aussehen? Für die Erprobung von Alternativen braucht es Strukturen, die nicht auf Profit ausgerichtet werden. Entscheidend für einen vielfältigen, möglichst regionalen Anbau sind vier Dinge: Fruchtbare Böden, gute samenfeste Sorten, viel Wissen über Saatgut und Zucht und eine große Biodiversität. Alle vier Faktoren werden von dem dominierenden Zucht- und Landwirtschaftsbetrieb erdrosselt, durch hochgradige Arbeitsteilung eingedampft und im Wettbewerb um die effizienteste Lebensmittelproduktion wegoptimiert. Da Saatgut eine Grundlage für Ernährung ist, ist Saatgutsouveränität eine Grundlage von Ernährungssouveränität. Ohne eigenes bäuerliches Saatgut kann es keine nachhaltige Landwirtschaft geben, und ohne nachhaltige Landwirtschaft kann man keine Ernährungssouveränität aufbauen. Saatgut- und Ernährungssouveränität bedeuten, dass Menschen vor Ort je nach Umweltbedingungen und Bedürfnissen über ihre Agrar- und Saatgutsysteme entscheiden, ohne dass ihnen Konzerne und staatliche Stellen das vorschreiben wollen.

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